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passivattraktiv Interview Teil II : Zwischen Schreibkrisen, Publikumsliebe und „Irgendwas mit Kultur“

Nach dem ersten Teil unseres Gesprächs mit passivattraktiv wurde schnell klar: Diese drei – pardon, VIER – sind alles andere als gewöhnlich. Denn hinter den Stimmen von Lisa, Vanessa und Rafael steht auch Texter Rune, der zwar selten auf der Bühne, aber immer mitten im kreativen Prozess zu finden ist.


„Irgendwas mit Kultur“ – ein Titel mit Geschichte

Wie der Name ihres Programms entstanden ist, erzählt Rafael mit einem Schmunzeln:

Tatsächlich stand der Titel bereits fest, bevor wir überhaupt unseren eigenen Namen gefunden hatten. Die ersten paar Songs hatten wir schon fertig, und da einer davon den Titel Irgendwas mit Kultur trug, waren wir uns sofort einig, dass das auch ein guter Programmtitel ist. Er trifft es inhaltlich vermutlich auch ganz gut.

Lisa ergänzt lachend: „Wir haben uns recht schnell auf den Programmnamen festlegen können – im Gegensatz zu unserem Bandnamen. Den zu finden war um einiges schwerer. Aber auch da haben wir letztendlich eine gute Wahl getroffen, finde ich.


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Natürlich läuft im kreativen Prozess nicht immer alles glatt. Vanessa erinnert sich: „Bei Schreibkrise hatte ich tatsächlich eine Schreibkrise. Ich denke, von diesem Song gibt es 30 verschiedene Fassungen. Es könnte direkt ein neues Programm füllen.


Lisa fügt hinzu: „Ich finde die Rhythmen, die Vanessa schreibt, nicht immer so leicht. Bis heute gibt es Momente, in denen ich in Konzerten die schönsten Seitenblicke von Vanessa bekomme, wenn ich nicht perfekt getroffen hab, was sie sich vorstellt. Und danach – weiß ich schon – gibt es einen schönen Motivationsseitenhieb von meiner besten Freundin. Was braucht man mehr!


Am 25.Oktober steht passivattraktiv in der WABE Berlin auf der Bühne – diesmal mit kompletter Liveband. Rafael verrät, was das Publikum erwartet: „In erster Linie natürlich das Live-Erlebnis und die Kommunikation, die dabei zwischen Bühne und Publikum herrscht. Viel interessanter ist vielleicht die Frage, was unser Konzert in der WABE von unseren sonstigen Konzerten unterscheidet: Diesmal haben wir nämlich eine ganze Band auf der Bühne und kommen somit auch näher an den Klang unseres Studio-Albums ran, das wir ebenfalls mit zusätzlichen Musikern produziert haben.


Vanessa ergänzt: „Rafael nennt das Synchronstudio sein Zuhause, aber auch ich bin mit meiner Filmmusik die meiste Zeit im Tonstudio. Da lag die Entscheidung für eine ausproduzierte Platte nicht mehr ganz so fern.


Zwischen Satire und Gesellschaftskritik


Frage: Eure Lieder sind satirisch, aber auch gesellschaftskritisch – wie findet ihr die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit?


Rune überlegt: „Ich weiß gar nicht, ob wir da eine Balance finden – oder finden wollen. Ich denke, manche Themen, wie zum Beispiel Der Preis, lösen Gefühle aus, bei denen es schwerfällt, ins Absurde und damit Humoristische zu verfallen. Obwohl auch das denkbar wäre. Andere Songs haben da vielleicht in sich sogar eine Ambivalenz. Bei Zieh dir ’ne Jacke an haben wir teilweise im Publikum erlebt, dass gelacht wurde, während andere zu Tränen gerührt waren. Da ist die Wahrnehmung von Humor und Ernsthaftigkeit also sehr verschieden. Was der richtige Ton ist, das ist individuell und rein subjektiv. Zumindest für mich kann ich sagen, dass da selten eine bewusste Entscheidung hintersteht. Ich glaube nicht, dass irgendwelche Themen von vornherein wichtiger oder beliebter sind als andere. Generell funktioniert alles, was absurd ist oder ein Mitteilungsbedürfnis auslöst. Das kann auch situationsabhängig sein. Wenn zum Beispiel Vanessa oder Lisa auch mal einen Wunsch äußern, zu diesem oder jenem Thema einen Song zu machen, dann weiß ich als Texter direkt: Das Thema auf gar keinen Fall!


Wer schon einmal bei einem Auftritt von passivattraktiv war, weiß: Das Publikum ist immer Teil des Abends. Rafael sagt: „Das Wechselspiel mit dem Publikum ist für uns sehr wichtig! Jedes Konzert ist einzigartig, und das liegt hauptsächlich daran, wie unterschiedlich die Zuschauer:innen das Konzert er- und beleben.


Vanessa lacht: „Es ist für mich manchmal auch ein Graus! In manchen Fällen taumele ich von Unbeholfenheit bis hin zu versehentlichen Beleidigungen. Ich schäme mich dann backstage zu Boden und meine Kollegen bauen mich wieder auf!


Lisa sieht das etwas anders: „Im Gegenteil zu Vanessa finde ich diese Interaktion immer total schön. Genau das macht ein Live-Erlebnis meiner Meinung nach aus!


Grenzen? Nur beim Bühneneinsatz von Rune!

Auf die Frage, ob es Themen gibt, über die sie nicht scherzen würden, antwortet Rafael augenzwinkernd: „Wer unser Programm gesehen hat, kennt meine subjektive Meinung hierzu: Das Thema Liebe und Beziehung klammere ich persönlich gerne aus. Aber nicht des Themas selbst wegen, sondern weil es darüber schon so unendlich viel Musik und Literatur gibt!


Lisa ergänzt: „Und trotzdem gibt es das Thema Liebe in unserem Programm. Wir haben uns auch öfter intern gefragt: Geht das jetzt so?, Kann man das so vertreten? – aber letztendlich ist es viel zu schade, Themen zu zensieren. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir im Zweifel Dinge zumindest ausprobieren – und fahren ganz gut damit.


Schließlich kommt noch einmal Rune, der Texter und stille Wortmagier hinter passivattraktiv, zu Wort – diesmal mit einem Augenzwinkern: „Eindeutig: Ja. Weil ich als Texter die Bühne stets nur im äußersten Notfall betreten werde“, lacht er.

Wenn die Frage jedoch lautet, ob man über irgendwelche Themen öffentlich keine Witze machen darf, dann ist das klar zu verneinen. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Grundsätzlich gibt es für mich kein Thema, das es nicht auf die eine oder andere Art verdient hätte, dass man sich darüber lustig macht. Jeder sollte das Recht haben, über sich lachen zu dürfen. Und die, die das nicht wollen, über die sollte erst recht gelacht werden.


©Oliver Betke
©Oliver Betke


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